Als der Erste Weltkrieg ausbricht und Kaiser Wilhelm II. feierlich erklärt, er kenne keine Parteien mehr, sondern nur Deutsche, erhoffen sich davon viele die ersehnte volle Anerkennung der Juden.
Wie Tausende andere Juden dient Josef selbstverständlich als Soldat. Doch das Kriegsende enthüllt einen sogar noch verstärkten
Antisemitismus. "Das Judentum" wird zum Sündenbock für den von vielen Deutschen als ungerecht empfundenen Friedensvertrag von Versailles erklärt. Mit der Dolchstoßlegende versucht insbesondere die politische Rechte nach dem Ersten Weltkrieg, die deutsche Niederlage mit Verrat und politischen Fehlern innerhalb des Reiches zu erklären. Verantwortlich dafür werden die Linksparteien sowie die deutschen Juden gemacht. Die
Weimarer Republik wird als "Judenrepublik" abgelehnt.
Bekannt und beliebt
Die Familie Chotzen jedoch, so erinnert sich Eppi später, merkt im persönlichen Umfeld nichts von Feindseligkeit oder Abneigung. Die Eltern führen ein Wäschegeschäft und sind bekannt und beliebt in der Nachbarschaft "ihrer" Johannisberger Straße im damals beschaulichen Berlin-Wilmersdorf. Die Söhne verbringen die meiste Zeit in ihrem Sportverein, spielen Hockey und Fußball oder trainieren sich in Leichtathletik.
Eppi und die Politik
Während die jüngeren Brüder noch in ihrem Kiez spielen, beginnt der Älteste, Eppi, 1924 in Gera eine Lehre zum Textilkaufmann. Als politisch interessierter, kritischer Jugendlicher will er die gesellschaftlichen Verhältnisse erkennen und verändern. Dazu tritt er dem
Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold bei, einem überparteilichen Bündnis, das die Republik gegen sich radikalisierende Kampfbünde beider Seiten schützen soll.
Allerdings mangelt es Eppi dort an direkter Aktion. Nach dem Ende seiner Ausbildung zurück in Berlin, tritt er der
Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) bei. Auch in der Kommunistischen Partei wird er Mitglied. Aber Eppis Hoffnung, angesichts der drohenden Zerschlagung der Republik durch den Nationalsozialismus könnten sich alle linken Gruppierungen einigen und gemeinsam aktiv werden, wird enttäuscht. Tatenlos muss er zusehen, wie paramilitärische Einheiten der Rechten immer gewalttätiger gegen Andersdenkende vorgehen und sich der Antisemitismus immer offener verbreitet - bis schließlich im Januar 1933
Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt wird und die systematische Verfolgung von Juden und anderen Minderheiten beginnt.